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ITB India 2024: Markt der Möglichkeiten

Indiens Reisemarkt ist anders. Um ihn zu verstehen, lohnt mitunter gar ein Blick auf die Kino- und Filmkultur des Landes. Als 2023 die dritte Staffel der erfolgreichen Netflix-Serie „Emily in Paris“ über Indiens Bildschirme flimmerte, erlebte Frankreichs Hauptstadt in den Suchanfragen der Buchungsportale einen rasanten Anstieg. In der Heimat von Bollywood besitzen Filme und Serien, die vor ausländischer Kulisse spielen, einen kaum zu unterschätzenden Einfluss auf Urlaubswünsche und Reiseplanungen. Die wachsenden Budgets der indischen Mittelschicht sorgen dafür, dass immer mehr Menschen die auf der Leinwand abgebildeten Sehnsüchte mit der Realität abgleichen können.

Tourismusboom trotz Pandemie

Obwohl der Subkontinent durch die Corona-Krise stark in Mitleidenschaft gezogen wurde, hat die Pandemie diesen Trend kaum bremsen können. Die langfristige Entwicklung des Landes mit Wachstumsraten von bis zu neun Prozent hinterlässt auch im Tourismus immer mehr Spuren. Laut einer Untersuchung von Booking.com und McKinsey werden die Reiseausgaben der indischen Bevölkerung von 150 Milliarden US-Dollar im Vor-Corona-Jahr 2019 auf 410 Milliarden US-Dollar im Jahr 2030 steigen. Indiens Touristen agieren zunehmend anspruchsvoller und experimentierfreudiger. „Sie erwarten authentische Erlebnisse, suchen eher die Gemeinschaft als das individuelle Erlebnis und lassen sich bei ihren Reiseentscheidungen von sozialen Medien inspirieren“, konstatiert eine Studie der Buchungsplattform Skyscanner. Indiens junge Bevölkerung - das Medianalter des Landes liegt bei lediglich 28 Jahren - trägt dazu bei, dass die Digitalisierung des Reisemarktes schneller voranschreitet als in den Kundenmärkten vieler europäischer Länder. Zahlreiche indische Reiseunternehmen bieten seit langem mobile Buchungs-Apps an, die sich vor allem bei Inlandsreisen großer Popularität erfreuen.

© Martin Jernberg / Unsplash

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Wachsender Online-Markt und neue Anforderungen

Das digitale Geschäft verheißt attraktive Umsätze und ist entsprechend hart umkämpft. Laut Prognosen des indischen Marktforschungsinstituts Mordor Intelligence erreicht Indiens Online-Reisemarkt nach den Corona-Einbrüchen 2024 wieder ein Volumen von 17,24 Milliarden US-Dollar und wird bis 2029 mit einer jährlichen Rate von 10,5 Prozent auf 28,4 Milliarden US-Dollar wachsen. Die Pandemie hat zudem zu einer Marktbereinigung und Konsolidierung geführt, von der vor allem kapitalstarke Unternehmen profitieren konnten. Zu den wichtigsten Anbietern zählen Global Player wie Booking.com und Expedia, aber auch indische Eigengründungen wie Via.com, MakeMyTrip oder Yatra.

Viele der indischen Unternehmen haben sich ihre Stellung und Expertise auf dem Heimatmarkt über Jahre hart erarbeitet. MakeMyTrip, eine Gründung des indischen Unternehmers Deep Kalra, begann um die Jahrtausendwende mit Online-Angeboten für Flüge zwischen Indien und Nordamerika und profitiert seitdem von dem rasanten Ausbau des indischen Luftverkehrsnetzes: „Die Investitionen in den indischen Luftfahrtsektor kommen einer Revolution gleich. Diese Politik wurde bereits vor der Modi-Regierung eingeleitet, kam aber erst in den letzten zehn Jahren zum Tragen. Die Zahl der internationalen Flughäfen ist so hoch wie nie zuvor, der Luftverkehr nahezu vollständig liberalisiert“ beobachtet der renommierte indische Tourismus-Analyst Imtiaz Muqbil. Die Tatsache, dass Urlaubsziele wie Thailand, Sri Lanka, Südafrika, Mauritius oder die Türkei die Visabestimmungen für indische Reisende unlängst liberalisiert haben und Indien als wichtigen Quellmarkt betrachten, seien weitere sehr positive Entwicklungen für das Land, registriert der Experte.

Ausländische Investoren, die auf den dynamischen Geschäftsfeldern des Landes mitverdienen möchten, sind gut beraten nach geeigneten Partnern Ausschau zu halten. Die Besonderheiten des kleinteiligen indischen Wirtschaftssystems mit zahlreichen Kleinunternehmen und „Mittelmännern“, die Vielzahl der auf dem Subkontinent gesprochenen Sprachen sowie die Komplexität der indischen Bürokratie sind ohne die Expertise und Netzwerke eines inländischen Partners nur schwer zu durchschauen. Eine sorgfältige Recherche vor Ort ist daher unbedingt ratsam: „Ausländische Unternehmen sollten gründliche Nachforschungen anstellen. Eine gute Vorbereitung ist die Voraussetzung für erfolgreiche und zielgerichtete Marketingkampagnen. Erst dann sollte ein junges, dynamisches Kommunikationsunternehmen gesucht werden, das diese Kampagnen durchführt“, empfiehlt Muqbil.

Das Erfolgsbeispiel OYO

Selbst internationale Konzerne verlassen sich in Indien nicht allein auf ihre Marktmacht und Markenbekanntheit, sondern suchen die Koalition mit im Land verwurzelten Partnern. So entschied sich der US-Anbieter Airbnb bereits 2019 für eine Zusammenarbeit mit dem indischen Hotelunternehmen OYO, um die Übernachtungsangebote der Marke auf der eigenen Plattform anbieten zu können.

Der rasante Aufstieg von OYO liefert ein beeindruckendes Beispiel für das innovative Denken einer neuen Generation indischer Pionierunternehmer, die das touristische Geschäft auf dem Subkontinent zunehmend prägen und revolutionieren. Der mittlerweile 30jährige Gründer Ritesh Agarwal begann 2014 nach zwei Jahren in den USA und einer Start-Up-Förderung durch US-Investor Peter Thiel mit der digitalen Vermarktung kleiner indischer Hotels und privater Ferienwohnungen. OYO kümmert sich um die Abwicklung sämtlicher Kundenprozesse, erledigt die Kreditkartenzahlung und sorgt für die Abwicklung des Check-out. Das Franchise-Konzept erwies sich für viele der rund 250 000 kleinen, eigenständigen Hotels im Land als attraktiv, OYO wuchs rasch. Zehn Jahre nach der Gründung hat sich das Unternehmen in einen global agierenden Konzern mit 18 000 Hotels und über 85 000 Ferienwohnungen im In- und Ausland verwandelt. Künftig sollen in jedem Jahr bis zu 4000 Hotels und bis zu 7000 Ferienwohnungen hinzukommen.

Erfolgsgeschichten wie die des zum Milliardär avancierten OYO-Gründers stehen für die großen kreativen Potenziale des Landes und seiner jungen, IT-affinen Bevölkerung. Um diese Potenziale entdecken und kennlernen zu können, bedarf es persönlicher Begegnungen vor Ort.

ITB India 2024: Chancen für internationale Akteure

Die ITB India bietet die Möglichkeit den schnell wachsenden indischen und südasiatischen Markt intensiver kennen zu lernen, neue Partnerschaften zu knüpfen und bestehende Geschäftsbeziehungen mit den wichtigsten Akteuren in der Region zu stärken. „Wer als ausländisches Unternehmen an Indiens Tourismus teilhaben will, sollte im Land so viele Reise-Messen und Veranstaltungen wie möglich besuchen. Die ITB India in Mumbai bietet eine erstklassige Gelegenheit dazu. Darüber hinaus gibt es in vielen Teilen des Landes und in den Regionalstädten eine Reihe kleinerer Veranstaltungen und Messen, die ebenfalls einen Besuch wert sind“, rät Reise-Analyst Muqbil. Mögliche Kooperationspartner sollte man vor Vertragsabschluss jedoch genau unter die Lupe nehmen: „Vor Unternehmern, die große Versprechen machen, aber am Ende nicht liefern, gilt es sich unbedingt in Acht zu nehmen“, warnt der Tourismus-Experte.

Die ITB India findet 2024 vom 11. bis 13. September in Mumbai statt und bringt führende Unternehmen der Reisebranche und internationale Aussteller aus den Bereichen MICE, Leisure, Corporate und Travel Technology zusammen. Auf der ITB India 2024 Conference werden Repräsentanten und Speaker führender Unternehmen wie Agoda, Booking.com, Cleartrip, Thomas Cook India Limited u. v. a. erwartet.